Zum Glück ist der Kanonier
eine faule Sau und wollte gestern keinen Blog schreiben. Denn was sich am Abend
in einer kleinen Stadt im Themsetal abgespielt hat, war eines der irrsten
Fußballspiele aller Zeiten.
Fußballfan sein hat einiges
mit einer Drogensucht gemeinsam. Man wartet ständig auf das nächste Spiel der
eigenen Mannschaft (ist gleich der nächste Schuss), dieses versetzt einem einen
Kick, je nach Qualität des Stoffs ist der Trip mal besser und nachhaltiger und
mal schlechter. Manchmal ist das Verlangen so groß, dass man es mit den Spielen
anderer Teams probiert, was am Wochenende mit dem Merseyside Derby und dem
Spiel Manchester gegen Chelsea extrem lohnend war, aber zu viele Spiele
schlagen sich mangels Qualität negativ aufs Gemüt. Man will den richtigen
Stoff, in unserem Fall The Arsenal. Und dann gibt es Tage, da bekommt man was
man sucht in seiner reinsten Form und erlebt einen Wahnsinnstrip! (Da hört die
Analogie dann auf, den goldenen Schuss kann man sich mit Fußball zum Glück
nicht setzen).
Gestern war einer dieser
Tage. Nach einem Besuch bei einer Freundin der Kanonierin, wo wir einen 12
Wochen alten Kater bestaunt haben (extrem süß!), war ich nach Sekt und Brötchen
eigentlich reif für das Bett, noch dazu wo heute früh um 6:30 Tagwache war und
eine zweistündige Autofahrt bevorstand. Trotzdem schleppte ich mich ins Pub, um
mir den Capital One Cup Kracher Arsenal gegen Reading anzusehen. Die
Erwartungen waren also niedrig (gute Voraussetzungen für einen Wahnsinnstrip).
Arsenal lief mit einem verhältnismäßig starken Team auf. Die meisten hatten
schon in der ersten Mannschaft gespielt, einige davon sogar schon öfter. Also
keine große Sache und mit einem frisch gezapften Ale in der Hand stand ich in meinem Stamm Pub, das nur spärlich gefüllt war. Die restlichen Gooner waren
in der Stadt verteilt und schauten in anderen Pubs. Dann nahm das Unglück seinen
Lauf. Die Verteidigung stellte sich an, als hätte sie den Sinn des Spiels nicht
ganz verstanden und Reading spielte munter drauf los, schoss aufs Tor und traf
und traf und traf und verdammt noch einmal traf. 0:4. Und nicht einmal
unverdient. Was soll's, wer braucht schon den Ligapokal. In der Zwischenzeit
meldete sich Le Bohemien und SMSste, er ist auf dem Heimweg und
schaut noch vorbei. Alleine lässt sich so ein Spiel auch schwer ertragen. Kurz darauf hatte
Arshavin einen seiner raren lichten Momente, spielte einen Zuckerpass auf
Walcott, der auf und davon, Chip über den Goalie und 1:4. Na immerhin. Bemerkungen
über ein Comeback (Haha!) machten die
Runde, dann folgte der Pausenpfiff.
Le Bohemien kam an und wir
scherzten, dass eine Wette auf Arsenal gute Quoten bringen müsste. Im Zeitalter
der mobilen Kommunikation kein Problem, Handy raus, wir setzten € 10,-- auf ein
Unentschieden nach 90 Minuten bei einer Quote von 28:1. Anpfiff zur zweiten
Halbzeit.
Arsenal wirkte stark
verbessert, Reading war aber auch deutlich passiver. Die Hoffnung steigt. Tore
fallen aber keine, die These lautete, wenn wir vor der 60igsten treffen, dann
könnte das noch was werden. Die Hoffnung sinkt. 64. Minute, der eingewechselte
Giroud trifft zum 2:4. Klasse Tor, die These wird adaptiert nach dem Motto:
"Wir wollen das noch einmal gelten lassen". Leichter Anstieg der
Hoffnung. Die Zeit verrinnt. Die Hoffnung beginnt wieder zu sinken, zunächst
langsam, dann schneller. Wer braucht schon den depperten Liga Pokal. 89. Minute
Koscielny trifft, nach einem Eigentor in der ersten Halbzeit, diesmal ins
richtige Tor. Aber eigentlich ist das Spiel schon aus und überhaupt, aber
verdammt, die Hoffnung klammert sich in den Eingeweiden fest. Die Nachspielzeit
beginnt und wir vergeben eine Riesen Chance. Das war’s jetzt aber wirklich.
Kann die Hoffnung sich jetzt bitte schleichen. Das Ende der Nachspielzeit läuft
ab. Na gut, das war’s jetzt aber endgültig. Aber der Schiedsrichter pfeift
nicht ab. Arsenal näher sich mit Einwürfen dem Strafraum und dann, plötzlich
ist der Ball im Strafraum, Walcott zieht ab, der Ball scheint über der Linie, nein doch
nicht, Jenkinson schießt, jetzt ist der Ball über der Linie, Arsenal Spieler
jubeln, die Regie schneidet auf den Linienrichter. Doch kein Tor? Die Arsenal
Spieler wirken kurz beunruhigt. Das darf doch nicht wahr sein. Aber das Tor
zählt. Ich erlaube mir jetzt auch zu jubeln. Offenbar wurde nur diskutiert wer
der Torschütze war (heute wurde Walcott das Tor zugeschrieben, der ist damit
unser Toptorschütze in allen Bewerben). Es setzt der Kick ein. Das unbeschreibliche Gefühl eines
Tores in allerletzter Sekunde, ein Wahnsinnstrip. Und reich sind wir auch noch.
Abpfiff, Verlängerung.
Ja im Carling Cup gibt es
eine Verlängerung, Giroud und Coquelin wussten das nicht und mussten ihre
Trikots wieder von den Auswärtsfans zurückfordern. Anpfiff. Die Hoffnung sitzt
fest im Sattel, der Termin für die Tagwache auch, aber ohne Bier geht es nicht.
Zumindest noch ein kleines (eine weiteres großes Ale habe ich unterschlagen).
Die Verlängerung dümpelt dahin, bis Chamakh seine Verkleidung abwirft und der
Torjäger zum Vorschein kommt, den wir von Bordeaux gekauft haben. Ein strammer
Schuss, Arsenal führt, die Hoffnung übergibt an die Gewissheit. Zweite Hälfte
der Verlängerung, Reading gleicht in der 115. Minute aus. Die Gewissheit entschwindet und die Hoffnung möchte wieder auf ihren Platz wird aber von der Enttäuschung, die in der Ecke gelauert hat, festgehalten. Geh bitte, bloß kein
Elfmeterschießen. Die Nerven sind schon aufgebraucht. Wieder beginnt eine
Nachspielzeit, der Ball kommt in den Strafraum, prallt an irgendwem ab, kommt vor Walcott zu liegen,
der schießt und trifft. Wahnsinn! Hoffnung und Gewissheit teilen sich
jetzt einen Sitzplatz, Arsenal versucht hinten noch ein bisschen zu schwimmen,
dann aber ein Konter, Chamakh alleine auf's Tor zu, ein Heber und jetzt ist alles
aus. 7:5. Kopuliere mit meinem großen hohen Hut, wie ein englischer Freund auf
Facebook bemerken zu
müssen meinte (was auch immer das heißen soll).
Le Bohemien und ich warten
noch auf die Highlights und das Interview mit Wenger. Nur noch 7 Stunden bis
zur Tagwache (der Kanonier braucht viel Schlaf) und der Cocktail aus
Alkohol (Sekt und Bier) und Adrenalin (da wurden die Vorräte für ein ganzes
Monat verschüttet) wird ein schnelles Einschlafen zu verhindern wissen. Auf dem
gemeinsamen Heimweg, kehren wir dann noch in eines der urigsten Cafés der Stadt
ein und genehmigen uns eine Marille. Also die gebrannte Version, versteht sich.
Hinter der Budel (Theke, für die germanischen Leser) bereitet das Original von
einem Wirten Toasts zu. Kratzt das Schwarze herunter und schlichtet sie in ein
Jausensackerl (Brotzeittüte aus Plastik). Warum? Keine Ahnung, die Nachfrage
konnte meine Begleiter leider nicht mit dem gebotenen Ernst stellen. Dann ging
es heim.
Good to be a Gooner!
PS: Heute früh war es ganz
OK, eine Autobahnausfahrt verpasst, sonst keine Vorkommnisse.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen